Ich vermute, die meisten Leser*innen kennen den Begriff „Permakultur“ – was aber bedeutet „permanent“ in diesem Kontext? Und was bedeutet es für uns Ackerhummeln?
Der Begriff „Permakultur“ wurde von Bill Mollison geprägt und bezeichnet kein gärtnerisches Konzept, sondern eine Lebensweise. Das Wort vereint eigentlich sehr schön die zentrale Botschaft hinter der Idee: „Kultur“ deutet darauf hin, dass es keine unberührte Wildnis ist, aus der man seinen Lebensunterhalt bestreitet, sondern eine Landschaft, die menschlich umgestaltet wurde, und zwar im positiven Sinne so, dass sie das Leben fördert (das Menschliche sowie das Ökosystem, von dem wir Teil sind) – dadurch ergeben sich erleichterte Lebensumstände, denn anders als beim Sammeln und Jagen in der Wildnis können nun größere Menschengruppen von Kulturpflanzen und -Tieren mit machbarer Mühe ernährt werden. Doch die Landschaft wird nicht nur auf Lebensmittelproduktion umgestaltet, sondern auch im Hinblick auf Wohnraum, Soziales, Energienutzung, Lebensqualität etc.

Kräuterspirale aus hiesigen Steinen bietet Lebensräume und ein Mikroklima für mediterrane Kräuter und einen Marillenbaum.
„Permanent“ macht nun den großen Unterschied zu anderen menschlichen „Kulturen“ – nämlich denen, deren Kulturarbeit auf Dauer das Leben nicht fördern, sondern es zerstören und somit schleichend auch die eigene Lebensgrundlage beeinträchtigen – sie münden sozusagen in einer Sackgasse. Heute würde man vielleicht statt „permanent“ eher das Wort „nachhaltig“ benützen – auch wenn das andere Assoziationen mit sich bringt. Die Permakultur geht in der Regel weit über eine ökonomisch nachhaltige Nutzung hinaus: es geht um Stärkung und Wiederaufbau eines sich-selbst-tragendenden Ökosystems, das unsere Lebensgrundlage ist, also um eine aufbauende Kreislaufwirtschaft. Funktioniert diese gut, so muss der Mensch auch weniger „Arbeit“ investieren. Er lässt vielmehr die Natur für sich arbeiten, indem er ihre Gesetze versteht und geschickt nutzt. Beispiele können Tiere sein, die für den Menschen unbrauchbares verwerten und ganz nebenbei „Schädlinge“ in Zaum halten, den Boden düngen und bearbeiten. Aber auch Pflanzen, Pilze, Mineralien etc sind wertvolle Bausteine für die Schaffung von Nährstoffkreisläufen, Mikroklimata und dergleichen.

Die Basis ist also eine Philosophie, die davon ausgeht, dass alles Leben verwoben ist und wir uns als Menschen nicht auf Dauer über die Natur erheben können, indem wir sie einseitig ausbeuten. Beuten wir die Natur aus, so beuten wir uns in Wirklichkeit selbst (oder unsere Nachfahren) aus. Die Verwobenheit aller Wesen und Dinge zu erkennen, ist eine wesentliche Einsicht. Wir existieren, weil anderes existiert. Existiert anderes nicht, können auch wir nicht weiter existieren. Ohne den unzähligen Bakterien, die in uns und auf uns leben, könnten auch wir nicht leben – wir brauchen einander. Alles Leben setzt sich aus Elementen zusammen, die ständig im Fluss sind. In diesem „Fluss“ ist der Tod nichts weiter als eine Wiedergeburt in eine andere Form – der Kompost ist ein anschauliches Bild dafür: „totes Material“ (in Wirklichkeit ist es bereits voller Leben, Bakterien, Pilze…) geht im Kompost neue Verbindungen ein, Organisches verbindet sich mit kleinsten Tonteilchen zum Ton-Humus-Komplex der reich an Nährstoffen und Mikrofauna ist – dieser wiederum wird zur Quelle neuen Lebens für unsere Kulturpflanzen und anderen Lebensformen, schließlich auch zur menschlichen Nahrungsquelle. Und ist unsere Zeit abgelaufen, so werden wieder andere Organismen sich uns einverleiben.

Weg aus gehechseltem Strauch- und Baumschnitt – bietet Lebensraum besonders für Pilze und schützt die Wiese rundherum.
Wer diese Erkenntnis in sich trägt, der behandelt seine Umwelt nicht mehr wie etwas Wertloses (oder nur „Verwertbares“). Die Umwelt wird zu einem Teil unseres Selbst, denn die Grenzen, wo ich anfange und wo ich aufhöre, sind alles andere als klar. Das trifft auch auf unsere Mitmenschen zu: unsere Leben sind nicht klar getrennt, wir beeinflussen uns gegenseitig und wir brauchen einander, denn niemand kann für sich alleine „Mensch-sein“, denn ohne Sozialleben kann aus dem Mensch nicht werden, was wir unter ihm verstehen. Was liegt also näher als dies bewusst zu leben und uns zu fördern?

Permakultur hat also auch diese soziale Dimmension. Wie schaut eine wünschenswerte permanente Kultur aus? Einen Großteil seiner Zeit in nicht-erfüllender, vielleicht gar schädlicher Arbeit zu verbringen und keine Zeit mehr für Sozialleben und Persönlichkeitsentwicklung zu finden – so eher nicht. Permakultur ist eine kollektive Lebensweise, die erfüllend ist und den Reichtum des Lebens fühlbar macht.
Ein Garten kann (oder muss) ein wundervoller Teil dieser Lebensweise sein – auch wenn er vielleicht nicht „mir gehört“ und in einer anderen Ortschaft liegt.
Das bringt mich zu unserem Ackerhummel Garten…
Ein „Market Garden“, wie wir ihn kultivieren, schaut auf den ersten Blick nicht aus, wie ein Permakultur-Garten aus dem Bilderbuch – der wäre wohl noch wilder, hätte rundere Formen und meist auch mehr Nutztiere auf dem Hof. Außerdem sollte er noch weniger arbeitsintensiv sein.
Doch diese Klischees sind zwar eng mit der Permakultur verbunden, allerdings nicht wesentlich. Die wichtigere Frage wäre: ermöglicht die menschliche Lebens- und Schaffensweise einen potenziell endlosen Fortbestand? Im Grunde ist schon das Nutzen von fossilen Energien ein Widerspruch zu dieser Grundidee, denn die Ausbeutung fossiler Energien ist definitiv keine endlose Kreislaufwirtschaft. Weniger wichtig ist es, wie wild der Garten aussieht und welche Tiere darin rumlaufen – solange ein nützliches ökologisches Gleichgewicht darin erhalten bleibt.

Eine Vielfalt an Blühstauden sorgt für ein langes Blühangebot und macht viel Freude 🙂
Auch wir nutzen fossile Energien in Form von Kunst- und Treibstoffen dort, wo es uns schwer umgänglich und halbwegs verträglich und sinnvoll erscheint. Wir bezeichnen uns auch nicht als Permakultur-Hof, auch wenn das eine schöne Auszeichnung wäre, so fehlt uns bisher das Wissen und gesellschaftliche Umfeld, um „reine“ Permakultur mit anderen Zielen zu vereinigen: selbst ökonomisch davon leben zu können, soziale Bedürfnisse abzudecken und dergleichen. Dennoch prägt uns diese Idee und wir prüfen oft unsere Handlungen darauf, wie wir sie zum Nutzen unser aller (Menschen und Organismus Erde) verändern können.
Viele bekannte Permakultur-Persönlichkeiten haben nützliche Vorbilder geschaffen, auf die wir teilweise zurückgreifen können. Einige Beispiele: Schneckenkontrolle durch Laufenten; erhöhte Beete (für mehr Mikroklimazonen, bessere Erwärmung, Durchlüftung, Durchwurzelung); teilweise Mulchen; reduzierte Bodenbearbeitung; möglichst weitgehende Kreislaufwirtschaft; Einteilung der Flächen in Zonen (die häufiger und weniger besucht werden); Nutzung/Schaffung von Kleinklimazonen (zB. für Obstgehölzer und Wohlfühlorten); Erhöhung der Vielfalt von Flora und Fauna und dadurch Eindämmung von „Schädlingen“; Minimalistisches und Ökologisches Bauen; diese und viele weitere Ideen setzen wir so gut wir es schaffen um. Diejenigen Praktiken, die nicht in das Perma-Bild passen, versuchen wir zu reduzieren. Gelingen kann das aber nur, wenn wir als Gesellschaft an einem Strang ziehen und auch unser Wissen in diese Richtung weiter entwickeln. Weder macht es Sinn, wenn nur wenige Einzelkämpfer*innen völlig auf fossile Rohstoffe verzichten während der Großteil der anderen massiv auf Kosten der Umwelt lebt – noch ist es ein schöner Weg, wenn man ihn allein geht. Gemeinsam gegangen könnte er uns aber in die schönsten aller irdischen Welten führen. Wir stehen als Menschheit an einem sehr schwierigen Punkt, denn zu lange haben wir nicht „permanente Kultur“ geübt, sondern eine Raubbau-Kultur – an anderen, aber letztendlich auch an uns selbst.

Im Sommer/Herbst macht die Vielfalt im Gemüsegarten besonders Freude und bietet hohe Lebensqualität
Zu guter Letzt beinhaltet ein Leben, das sich an der Idee der Permakultur orientiert, also auch einen großen Brocken Hoffnung, denn nur wer daran glaubt, dass so eine Lebensweise möglich und sinnvoll ist, wird sie auch mit Begeisterung leben können. Glücklicherweise ist so ein Leben nicht voller Entbehrungen, sondern im Gegenteil (gemeinsam gelebt) voller Reichtum. Es ist wie eine Kostprobe eines möglichen Paradieses auf Erden, das wir uns Menschen schaffen könnten, wenn wir nur wollen.
Tobias Schlagitweit